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Tagungsbericht Junges Forum für Bildwissenschaft. 2006: Welche Fragen stellt die Bildwissenschaft?

Der folgende Tagungsbericht wurde verfasst von Sven Behrisch (svebb@web.de)

Vom 30.–31. März 2006 fand zum ersten Mal das Junges Forum für Bildwissenschaft an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften statt, das von Ingeborg Reichle und Steffen Siegel von der Interdisziplinären Arbeitsgruppe »Die Welt als Bild« wissenschaftlich konzipiert und organisiert wurde. Zu dem von der Gerda-Henkel Stiftung geförderten Kolloquium waren junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Kultur- und der Naturwissenschaften geladen, die ihrer aktuellen Forschungsarbeit eine explizit bildwissenschaftliche Ausrichtung geben und dabei einen Schwerpunkt auf die Analyse visueller Medien legen. Mit dem viel berufenen »iconic turn« ist in den letzten Jahren ein breites Spektrum visueller Medien, und mit ihnen Theorie und Geschichte der Bilder, in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit geraten. Die Frage »Welche Fragen stellt die Bildwissenschaft?« wurde der Veranstaltung Erkenntnis leitend vorangestellt, da die gegenwärtig in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu beobachtende Hinwendung zu den vielfältigen Phänomenen von Bildlichkeit sicherlich eine Chance für die Formierung einer interdisziplinären Bildwissenschaft bedeutet.

Doch die Hoffnung auf Antworten scheint dort, wo zunächst nur nach den Fragen gefragt wird, mindestens fraglich. Denn »welche Fragen stellt die Bildwissenschaft« hieß auch – mit den Worten Marius Rimmeles: »welche Bildwissenschaft stellt welche Fragen?«. So waren von dem Workshop des »Jungen Forums für Bildwissenschaft 2006« eher Erträge zur Gegenstands- denn zur Methodensicherung der noch jungen Disziplin zu erwarten. Diese ist dem kunsthistorischen Elternhaus mit seinen eingegrenzten Analyseobjekten und Werkzeugen so rasant entwachsen, dass sie aus unsicherer Höhe nach Einkleidung Ausschau hält und eine plötzlich unübersehbare Fülle von Bildern in ihrem Blickfeld hat. Umso erfreulicher, dass der Workshop mit seinen 16, allesamt jüngeren Teilnehmern, eine Ordnung der Bilddinge durch verschiedene Standpunkte ihrer bildwissenschaftlichen Betrachter teilweise durchaus zu leisten vermochte. Die induktive Erschließung des Terrains durch einzelne Feldproben und Tiefenbohrungen erwies sich dabei als ein wirkungsvollerer Schritt in Richtung bildwissenschaftlicher Selbstverständigung, als die vielen Versuche einer metadisziplinären Umarmung aller Bilder, die allzu oft ins Leere oder Unbestimmte greift.

Roland Meyer (Karlsruhe) machte den Anfang bildwissenschaftlicher Spurensuche mit seinem Vortrag über die »Ästhetik der Identi. zierbarkeit. Zur Lektüre erkennungsdienstlicher Bilder.« Anhand der Thesen des Kriminalisten Alphonse Bertillon des Jahres 1895 erörterte er die Tauglichkeit von Photographien als Mittel physiognomischer Indizienträger. Dass die Klassi. zierung des Porträts im Medium der Photographie andere Probleme und Möglichkeiten eröffnet, als Lavater und Lichtenstein sie damals diskutierten, dafür spricht die nur scheinbare Einheit von Ähnlichkeit und Identität im photographischen Bild. Die Feststellung der Identität zwischen Porträt und Porträtiertem kann, wenn überhaupt, nur dann geschehen, wenn die Herstellung erkennungsdienstlicher Aufnahmen genormten Vorgaben folgt und die formal vereinheitlichten Bilder daraufhin gelesen werden können. Die entscheidende Pointe des Kriminalbilds, vom Vortragenden selbst formuliert, besteht darin, dass es in dem Maße brauchbarer wird, in dem es weniger Gegenstand der Betrachtung als Gegenstand der Lektüre wird. Zugespitzt formuliert, wäre die ideale erkennungsdienstliche Photographie schließlich gar kein Bild mehr, sondern ein Katalog von Charakter konstituierenden Merkmalen.

Was man – aus philosophischer Sicht – mit Bildern überhaupt alles machen kann, versuchte Silvia Seja (Jena) in ihren Ausführungen »Über den Gebrauch von Bildern« zu zeigen. Wenngleich die Subsumierung der vier vorgestellten Positionen unter »Handlungstheorien« vielleicht nicht ganz glücklich war, erschien die vergleichende Herausarbeitung vierer instrumentalistischer Bild-Philosophien durchaus originell und gewinnbringend. In Opposition zum semiotischen Alleinerklärungsanspruch von Bildern wandte sich Seja sowohl gegen den auf Wittgenstein gründenden und von Oliver Scholz vorgetragenen Bildspiel-Gedanken, der zu Unrecht keine Unterscheidung zwischen Bildträger und -gehalt vornimmt. Auch Eva Schürmanns performative Bild-Akt-Theorie kann, instrumentalistisch gelesen, nicht auf das Materielle bezogen werden. Auf der anderen Seite vermag auch eine pragmatische Sicht auf das Bild, die diesem eine Ähnlichkeit zum Werkzeug bescheinigt, nicht zu überzeugen, weil seine darstellerischen Qualitäten nicht in der Funktion aufgehen. Was jedoch schließlich als dritter Weg Lambert Wiesings vorgestellt wurde: virtuelle Bilder als Probehandlungen des Users, erwies sich in der Diskussion als nur sehr begrenzt tauglich für eine allgemeine Funktionsanalyse.

Die Eigendynamik von Bildern als Werkzeuge im Dienst der Wissenschaft stellte Sebastian Vincent Grevsmühl (Paris) in seinem hochaktuellen Beitrag »Wissensbilder, Bilderwissen – Zur Epistemologie der bildgebenden Verfahren« vor. Zwischen Fakt und Artefakt, sind die Erzeugnisse bildgebender Verfahren keine Abbildungen, sondern Konstruktionen der Wirklichkeit. Die Unterschiedlichkeit wissenschaftlicher Sichtbarmachung führte Grevsmühl anhand analoger und synthetischer Radarbilder vor. Dabei zeigte sich – wenig verwunderlich – die Abhängigkeit der bildgebenden von den informationsgebenden Verfahren, den Sensoren und Meßapparaturen. Die Frage nach den Differenzen zur künstlerischen Bildwerdung liegt da freilich nahe: auch hier bestimmen Input und Datenverarbeitung das visuelle Produkt. Der Unterschied beruht auf der Suggestion dieser Bilder, die tatsächliche Beschaffenheit ihres Objekts wiederzugeben. Ihre Überzeugungskraft liegt in der immer besser werdenden ästhetischen Darbietung. Inwieweit diese Suggerierung dank ansprechender Darstellungsmittel sich nicht nur außerwissenschaftlich, sondern auch wissenschaftsintern als forschungsleitend auswirkt, dem mag sich schließlich eine Wissenschaftsbildtheorie widmen.

Medienanalyse à la McLuhan beginnt nicht erst mit dem Techno-Bild des 20. Jahrhunderts, sondern bereits im Mittelalter. »Selbstre. exivität als Ausgangspunkt historischer Bildforschung. Zur Semantisierung von Trägermedien des Bildes im Spätmittelalter« war Thema von Marius Rimmele (Konstanz u. Karlsruhe). Dem Ansatz der Bild-Anthropologie Hans Beltings verp. ichtet, plädierte er für deren historische Präzisierung in Einzeluntersuchungen, die das Verhältnis von Bild, Körper und Medium je neu bestimmen. In seinem Vortrag wählte er zwei klappbare Bildträger, an denen expliziert wurde, wie eine »somatische Interpretation« aussehen könnte, die den Verweis des Bildes auf seinen körperhaften Träger betont. Anhand einer hölzernen Schreinmadonna gelang dies geradezu musterhaft. Als Modellfall eines Bild-Körpers drängten sich theologische Bezüge von innerem Bildspeicher und Fruchtbarkeit dank Verinnerlichung Jesu geradezu auf. Weniger überzeugen war dagegen die Lesart eines Elfenbein-Diptychons des 14. Jahrhunderts, welche eine Semantisierung des Materials durch die Keuschheits-Bedeutung des Materialspendenders, des Elefanten zu erkennen meinte. Die Reichweite somatischer Bild-Interpretation kann sicherlich a priori kaum vermessen werden, scheint jedoch jenseits christomorpher Darstellungsweisen eher begrenzt.

Marcel Finke (Leipzig) blieb beim Material und seiner Unhintergehbarkeit im Bild. Am Beispiel einiger Gemälde Francis Bacons unternahm er den Versuch, deren Ursprung aus dem Geist der ramponierten photographischen Vorlagen zu rekonstruieren, die der britische Künstler in der zur Masse verbackenen Materialhäufung in seinem Londoner Atelier sammelte. Unter dem Titel »Materialität und Performativität. Ein bildwissenschaftlicher Versuch über Bild/Körper« verbirgt sich der Gedanke, Performativität als eine dem Bild inhärente Qualität zu bestimmen, die sich im dynamischen Wechsel von Bild- und Körpermaterial manifestiert. Durchaus gewagt ist dabei die Fundierung dieser Überlegungen auf den Theoriegebäuden Dieter Merschs und Judith Butlers, die nicht nur in methodischer Hinsicht nicht sehr viel miteinander gemeinsam haben. Gleichwohl konstatiert Finke in einer doppelten Engführung Mersch und Butler, Material und Performativität als Zugang zu den Bildern Bacons. Der Nachweis malerischer Übernahmen von Riss-, Faltungs- oder Beschädigungen der Photographien durch Überlagerung in seine Personendarstellungen ist zweifellos ein gewichtiger Beitrag zum Werkverständnis und die performativistische Perspektive darauf fraglos originell; doch die Wahl der theoretischen Garanten wie auch die Hintanstellung der Rezipientenseite ließen bildtheoretisch durchaus noch Fragen offen.

Gleiches gilt für den Beitrag Jan Behrendts (Hamburg) zum Thema »Propagandabilder. Über die Selbstdarstellung der DDR in der Dritten Welt«. In seinem Vortrag über das von der DDR in Dritte Welt-Staaten vermittelte Deutschlandbild vermischten sich der metaphorische Sprachgebrauch vom Image eines Landes und der faktisch produzierten Bilder in Schulbüchern, Ausstellungen oder auf Plakaten. Eine solche großzügige Verwendung des Bildbegriffs mag zwar im Rahmen des historisch-au ßenpolitischen Argumentationsinteresses der vorgestellten Forschungsarbeit zulässig sein, erscheint in bildwissenschaftlicher Hinsicht aber als unterkomplex. Zwar unterschied Behrendt zwischen den drei Bildzuständen von institutioneller Vorstellung (Imagination), Darstellung (Realisation) und dem daraus resultierenden Image (Rezeption), insistierte aber mit feiner Provokation darauf, dass ausnahmslos alle außen- und kulturpolitischen Maßnahmen als bildkonstituierend anzusehen seien. Die Argumente derer, die dem eine differenzierte Eingrenzung des Bildbegriffs entgegensetzen wollten, zeigten jedoch, dass exaktes Redenkönnen über Bilder eben noch ein Desiderat bildwissenschaftlicher Konkretisierungsvorhaben – wie dieser Tagung – und bislang leider noch unverfügbar ist.

Angesichts der herrschenden Sprachlosigkeit hat es sich Klaus Sachs-Hombach (Magdeburg) zur Aufgabe gemacht, mithilfe der analytischen Philosophie das Reden über Bilder auf eine gemeinsame, fächerübergreifende Basis zu stellen. Mit »Was ist eine allgemeine Bildwissenschaft? Über einige philosophische Grundlagen der bildwissenschaftlichen Forschung« überschrieb er seinen Abendvortrag, der als Stufenweg von Bildbeschreibung über Bildwirkung zur Bildtheorie konzipiert war. Das Bemühen von Sachs-Hombach um eine Kommensurabilität der bislang getrennten fachinternen Bilddiskurse ist fraglos anerkennenswert; zu einem überzeugenden Haltepunkt ist die vorgetragene Anleitung zum Weiterfragen allerdings nicht gelangt. Denn es ist nicht einsichtig, warum man von der rhetorisch-kommunikationstheoretischen Frage nach den generellen Bedingungen von Bildwirkungen gleich auf die anthropologische Problematik der logischen Voraussetzungen für Wesen mit Bildfähigkeit geraten sollte. Schon der Begriff »Bildfähigkeit« warf mehr Fragen auf, als er als methodischer Ansatzpunkt beantworten könnte. Und dennoch: das mit beachtlicher Hartnäckigkeit verfolgte Projekt einer »Allgemeinen Bildwissenschaft«, das von Anfang an mit stärksten Vorbehalten sämtlicher sie betreffenden Disziplinen rechnen musste, leistet in Gestalt von Sachs-Hombach einen unverzichtbar gewordenen Dienst zum Selbstverständnis bildwissenschaftlicher Forscher, wenn auch nur als Wetzstein der eigenen auf größere Differenziertheit oder gegen metadisziplinäre Vereinnahmung gerichteten Argumente.

Den zweiten Teil des »Jungen Forums« eröffnete Viktor Bedö (Budapest) mit seinem Beitrag über »Landkarten als Werkzeuge des Denkens«. Die Vermessung von Terrain und dessen Sichtbarmachung durch arti. zielle Sehwerkzeuge wurde bereits in einigen anderen Beiträgen thematisiert, Bedö ging es jedoch um eine andere Dimension der kartographischen Vermessung, ihre Auswirkungen auf das Denken. Ausgehend vom Wittgensteinschen Begriffs des Musters ist die Landkarte das Spielfeld von Sprache und Bildern, die in einem Netz von Familienähnlichkeiten miteinander verbunden sind. Da wir Gesehenes in Wissen umwandeln, müssen sich mit der Veränderung der Muster, etwa durch Änderung der Skalierung, auch unsere Denkstrukturen ändern. Umgekehrt sagt aber die Wahl der kartographischen Parameter etwas über das Informationsinteresse des Kartennutzers aus. Diese zunächst triviale Tatsache erhält neue Bedeutung durch so genannte annotierte Karten, das sind mithilfe mobiler Kommunikationsmittel permanent aktualisierte Ortsinformationen, die je nach User-Community unterschiedlich ge. ltert werden. Bedö zufolge ist die in ihren Informationsbestandteilen individualisierte Echtzeitkarte die Ankündigung eines epistemischen Wandels. Noch ist dieser nicht abzusehen, doch bildwissenschaftlich scheint man immerhin gerüstet.

Rückblickend statt projektiv demonstrierte Kathrin Müller (Florenz) die bildhafte Formung des Wissens durch »Visuelle Weltaneignung. Astronomische und kosmologische Diagramme in Handschriften des 11. bis frühen 14. Jahrhunderts«. Der Themenkomplex von Text und Bild ist aus den Bildwissenschaften auch jenseits Wittgensteinscher Muster nicht wegzudenken und tritt an kaum einer Stelle virulenter zutage als in der hybriden Form von Diagrammen. Müllers Argumentationsinteresse richtet sich auf den Nachvollzug des Umbruchs von Welterklärung anhand dieser textbildlichen Darstellungsweise. So sind die Diagramme eines Wilhelm von Conchus ein gutes Beispiel der Interreferentialität beider Zeichensysteme, indem sie die zirkuläre Bewegung der Himmelskörper durch die kreisförmige Anordnung der indizierenden Benennungen durch die kreisförmige Leserichtung zum Ausdruck bringen. Neben dem Form- und Textbezug sieht Müller die . gurativen Diagramme bei Johannes de Sacrobosco als Referenz auf die »buchexterne Wirklichkeit«, die den Blick auf die empirische Wahrnehmung der Welt weiten. Leider wurde zugunsten des gesetzten Rahmens auf eine Typisierung mittelalterlicher Diagramme ebenso verzichtet wie auf den Vergleich zur zeitgenössischen Glossierungspraxis. Das Verdienst der Befreiung des Diagramms aus der undifferenzierten Kategorie der Illustration schmälern diese Einschränkungen freilich nicht.

Einen glänzenden Beitrag, der wissenschafts- und bildtheoretische Fragestellungen programmatisch miteinander verknüpfte, lieferte Sebastian Gießmann (Berlin) über »Netze als Weltbilder. Ordnungen der Natur von Donati bis Cuvier«. In einem Dreischritt von Diagramm, Netz und Karte lieferte er nicht nur en passant eine Synopse der im Vortragsspektrum verhandelten bildlichen Ordnungsebenen, sondern demonstrierte stringent und überzeugend die heuristische Funktion von Netzdarstellungen für die biologische Wissenschaftsordnung. Vom Anfang des Netzmodells, bezeichnenderweise im Zusammenhang der Einteilung von Fischarten bei V. Donati, bis zu den unanschaulich verwobenen Schautafeln G. Cuviers, zeichnete Gießmann die Ablösung vom Modell der Verwandtschaftskette der Arten hin zu ihrer funktionalen Lokalisierung im Netz der Natur. In der in den Netzbildern Cuviers zum Ausdruck kommenden Unordnung der Ordnung spiegelt sich schließlich die unüberschaubare wechselseitige Verbindung aller Teile in der Natur und wird dadurch ihrerseits lebendig wie die Natur selbst. Die Nähe zum heutigen Netzwerkbegriff, etwa des World Wide Web ist da zum Greifen nah.

Die letzten zwei Beiträge standen im Zeichen des Computerbilds. Michael Rottmann (Stuttgart) skizzierte »Das digitale Bild als Visualisierungsstrategie der Mathematik«. Zunächst ging er auf die Besonderheit des digitalen Bildes als berechenbare Rasterdarstellung aus Pixeln (picture elements) ein, die ihrerseits eine dreidimensionale Struktur mit den Koordinaten Länge, Höhe und Farbe darstellen. Darauf folgte ein mathematikgeschichtlicher Abriss über die Entstehung und Weiterentwicklung des Koordinatensystems von Ptolemäus bis Newton als Voraussetzung des digitalen Rasterbildes. Eine überraschende Pointe setzte Rottmann durch die Feststellung, dass mit der Algebraisierung der Geometrie durch Pierre de Fermat und René Descartes visuelle Darstellungen aus der Mathematik entgegen landläu. ger Meinung nicht verschwanden, sondern überhaupt erst im großen Stil entstehen konnten. Denn die arithmetische Beschreibung räumlicher Phänomene bietet umgekehrt freilich auch die Möglichkeit der Überführung arithmetischer Funktionen in ein durch Zahlen berechenbares Koordinatensystem.

Nina Samuel (Basel) präsentierte einen besonderen, seit den 80er Jahren populär gewordenen Fall berechenbarer Bilder. Mit »Fraktale als mediale Hybride – Überlegungen zum epistemischen Bild« knüpfte sie an die medientheoretischen Ansätze voran gegangener Vorträge an. In einer Gegenüberstellung analoger und digitaler Bildtechniken zeigte sie an Fraktalen Mandelbrots und Peitgens, wie diese ihre computergenerierten Bilder von Hand bearbeiteten und aus Interesse an einer graphisch ansprechenden Darstellung nachträglich kolorierten. Als Kuriosum darf der französische Mathematiker Douady gelten, der den Gebrauch des Computers zur Erstellung von Fraktalen ablehnt und stattdessen zur bildlichen Darstellung komplexer Funktionen ausschließlich zu Feder und Stift greift. In einer Art Wettstreit der Künste erstellt Douady auch manuelle Fraktale, deren Darstellbarkeit sich den Möglichkeiten des Computers entzieht.

So weit das Spektrum der vorgestellten Themen reichte, verhandelt wurde in fast allen Fällen das physisch umgrenzte Bild, das visuelle Artefakt aus einem Träger und seinen deiktischen Elementen, das dem Betrachter äußerlich gegenüber steht. Eine Ausnahme dieses stillen Einverständnisses über den Gegenstand bildete einzig der Beitrag Jan Behrendts, der sich in der abschließenden Diskussion für eine Metadiskussion über Bilder stark machte, an deren Ende ein Substrat der Verwendungen des Bildbegriffs in den Einzeldisziplinen stehen sollte. Zweifel an der Aussagefähigkeit eines derartigen Überbegriffs konnten da freilich nicht ausbleiben; insbesondere die von Steffen Siegel geäußerten Vorbehalte zur Überführung eines weiten in einen sehr weiten Bildbegriff erzeugten Aufmerksamkeit. Manche Teilnehmer plädierten für eine beiordnende Typologie von Bildern und schlugen erste Kategorisierungen vor. Ingeborg Reichle verwies auf die faktisch bereits gegebenen Auswirkungen der neuen Bildwelten auf die alten Medien, welche eine Neuformulierung von Bildtheorien erzwingen. Dass die Philosophie hierbei helfen kann und muss, unterstrich Achim Spelten mit dem Hinweis, dass sich durchaus ein philosophischer Common Sense über die Bestimmung des Bildes feststellen lasse. Eine abschließende Antwort auf die Frage nach den Fragen der Bildwissenschaft war sicherlich nicht zu erwarten gewesen. Doch die in lockerer und anspruchsvoller Atmosphäre geleisteten Bildverdichtungen und -verknüpfungen trugen zu der Pro. lierung einer Familienähnlichkeit bildwissenschaftlicher Ansätze bei, die sich sehen lassen kann. Auf eine Fortsetzung des Jungen Forums im kommenden Jahr darf man ebenso gespannt sein wie den geplanten Sammelband zur Berliner Tagung.

Sven Behrisch (Kontakt: svebb@web.de)

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