system_kgsURL: www.kunstgeschichte.de/kgs
Im Zentrum des WWW-Redaktionssystem
system_kgs zur Unterstützung von Forschung und Lehre an kunstwissenschaftlichen Institutionen steht der Begriff des Management kunstgeschichtlicher WWW-Dokumente jeglicher Art, d.h. die koordinierte Manipulation und
Produktion von Inhalten auf WWW-Sites (Texte, Bilder, Videos, interaktive Elemente, etc.).
(44) Das
system_kgs wendet sich an zwei Anwendergruppen kunstgeschichtlicher Institutionen, die ständig mit der Sichtung, Erstellung und Veränderung von WWW-Inhalten in Berührung kommen:
Institutspersonal und
Studierende der Kunstgeschichte.
Ausgangspunkt war die für kunstgeschichtliche Institute unabdingbare Notwendigkeit, die eigene Homepage auf dem neuesten Informationsstand zu halten, was bislang ohne die Einführung eines WWW-Redaktionssystems nur unter Rückgriff auf zur Site-Erstellung- und aktualisierung befähigten Fachpersonals, bzw. unter Hinnanhme von Zeitverzögerungen oder Informationsverlusten durchgeführt werden konnte. Daher löst das
system_kgs - ganz im Sinne des BMBF - zunächst das Problem der
effizienten Bereitstellung von Informationsangeboten, die studienrelevanter Art sind. Gemeint sind insbesondere mögliche
Studienzeitverkürzungen durch Optimierung von routinemäßig zu erstellenden Rahmeninformationen zum Studium, wie z.B. Vorlesungen und Ausfallzeiten. Ein Beispiel hierfür ist z.B. die rechtzeitige Ankündigung einer Raum- oder Veranstaltungsänderung nicht nur am "Schwarzen Brett", sondern ebenfalls - zeitgleich - auf der Instituts-Homepage, ein Routinevorgang, der dank des Redaktionssystems ebenfalls durch das Sekretariat erfolgen kann. An dieser Stelle übernimmt
system_kgs, ähnlich wie Prometheus, Funktionen zur Schaffung einer (nicht inhaltsbasierten)
Informationslogistik zur effizienteren Nutzung bzw. Bereitstellung bereits vorhandener Ressourcen.
Hinzu gesellen sich web-basierte Möglichkeiten, die in
ähnlicher Weise ebenfalls im Konzept des Wissensmanagements angesprochen werden:
(45)
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Persönliche Homepages der Dozierenden (yellow pages): Über einen HTML-Dokumenten-Generator werden Institutsangehörige in die Lage versetzt, Selbstdarstellungen und eigene Publikations- und Vortragslisten im WWW zu veröffentlichen bzw. zu aktualisieren. Daneben lassen sich binäre Dokumente (z.B. Publikationen im PDF- oder Word-Format) oder Multimedia-Dateien (Videos, Sounddateien, z.B. aus Auftritten in Analogmedien) zum Abspeichern (Download) anfügen - eine Funktion, die ebenfalls in den weiteren Systembestandteilen zur Verfügung steht. Zweierlei Aspekte treten hierbei in den Vordergrund: Zunächst eine Form der
Repräsentativität, die es jedem/jeder Institutsangehörigen ermöglicht, ein individuelles wissenschaftliches Profil zu erstellen, welches Einblicke in das eigene Forschungsspektrum bieten und duchaus Referenzcharakter genießen kann. Desweiteren lässt sich aus den erzeugten Profilen aller MitarbeiterInnen eines Instituts in Analogie zu "Yellow-Pages"-Anwendungen des Wissensmanagements über gezielte Suchanfragen und Listenausgaben ein Einblick in Kompetenzprofile gewinnen, die von den Dozierenden zeit- und ortsunabhängig publiziert und verantwortet werden.
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Umgebungen für Dokumentenaustausch und Zusammenarbeit (project sharing & collaboration): Neben die Effizienz steigernden und den Zugriffskomfort verbessernden Funktionen, die im Rahmen der Selbstdarstellung und Informationsverteilung von Instituten im WWW zum Zuge gelangen, berücksichtigt das
system_kgs explizit die Belange von Studierenden. Angepasste Services zum
Austausch bestehender und zur gemeinsamen
Entwicklung neuer Dokumente auf Basis des WWW vereinen die Module
project sharing und
collaboration. Der inhaltiche Rahmen wird, wie prinzipiell im
system_kgs, inhaltlich bewusst nicht umrissen, sondern obliegt der Kreativität der User, sprich: der Studierenden. Eine ideale Nutzung bietet sich jedoch z.B. zur Erstellung von Referaten, Hausarbeiten und zur ausserinstitutionellen Textproduktion an (Ausstellungsrezensionen, Artikel in Kultur-, Fach- und Szene-Zeitschriften). Eine Indexierung von Dokumenten auf der Grundlage standardisierter Metainformationen (Dublin Core) ermöglicht eine gezielte, nachfolgende Auswahl von Projekten. Die bekannten Instrumentarien zum synchronen und asynchronen Datenaustausch - Newsgruppen und Chat - runden die Funktionsauswahl ab. Im weitesten Sinne fungieren Studierende unter den Bedingungen von
project sharing und
collaboration als "Wissensarbeiter", die im optimalen Falle einen Beitrag zum Aufbau kunstgeschichtlicher Wissensgemeinschaften auf der Grundlage lockerer, sich spontan konstituierender, nicht-hierarchischer Netzwerke leisten können.
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Gemeinsame Nutzung von Informationspools (information sharing): Innerhalb eines Instituts stellt das "schwarze Brett" traditionsgemäß
den Ort alltäglicher Routinepublikationen schlechthin dar. Sprechstundenänderungen, Veranstaltungen des Semesters und deren Abweichungen findet man in erster Linie am schwarzen Brett. Neben der erwähnten Möglichkeit der Produktion von "News" simultan sowohl für das schwarze Brett als auch für die Instituts-Homepage aus einer www-basierten Redaktionsumgebung heraus, sieht das
system_kgs explizit die Möglichkeit zur Nutzung von News-Informationen (sowie Veranstaltungen im kommentierten Vorlesungsverzeichnis) des eigenen Instituts durch Fremdanbieter vor.
Über einen standardisierten Dokumenttyp im XML-Format (DTD
News Industry Text Format -
NITF)
(46) , der zeitgleich im Hintergrund einer News-Publikation für das virtuelle schwarzen Brett ausgegeben wird, jedoch unsichtbar ist, können ebenso Fremdinstitute oder Portalanbieter - dezidiertes Interesse vorausgesetzt - eine Auswertung der Informationen für eigene Anwendungen und Zwecke vornehmen (sog. "Parsing" von XML-Daten). Setzte man in vergangenen WWW-Zeiten noch einen "Link" von der eigenen zur Homepage des Fremdinstituts, so erfolgt nun eine automatisierte
Verarbeitung kompletter Informationsblöcke. Im Extremfall können so z.B. die Informationen des virtuellen Schwarzen Bretts im Institut X in der Rubrik "Neues aus der Kunstgeschichte - Bereich Universitäten" in einem völlig umgearbeiteten Seitenlayout des Portaldienstes Y erscheinen und bleiben automatisch und permanent auf dem neuesten Stand - ohne eine Durchführung von Datenbankabfragen bewerkstelligen und ohne budgettreibendes Fachpersonal hinzuziehen zu müssen. Auch dies ist ein Beispiel für die im
system_kgs von Anfang an vorgesehene Konstruktion unhierarchischer Netzfunktionen zum Zwecke des Publizierens von WWW-Dokumenten. Im Idealfall liessen sich über die Installation mehrerer
system_kgs-basierter Systeme an verschiedenen Instituten voneinander abhängige Informationscluster kunstgeschichtlicher Informationen aufbauen, die - dank gemeinsamer XML-Anwendungen - in der Lage wären, ein regelrechtes "Netzwerk der Kunstgeschichte" zu etablieren.
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Mobilität des Datenzugriffs: Den durch das
system_kgs produzierten und organisierten WWW-Dokumenten liegt ein technisches Verfahren zugrunde, welches prinzipell eine strikte Abtrennung der publizierten Dokumentinhalte (Texte, Bilder, etc.) vom WWW-Seitenlayout (Anordnung, Plazierung der Texte und Bilder auf einer Bildschirmseite) vornimmt. Daher stellt die
gleichzeitige Präsentation bzw. Aufteilung ein- und desselben Inhaltsblocks auf zwei oder mehrere unterschiedliche Dokumentformate keinen zusätzlichen Arbeitsaufwand dar, da auch dies automatisch abläuft. So werden die über das
system_kgs generierten Meldungen für das virtuelle schwarze Brett zusätzlich in Form von Inhaltsblöcken aufbereitet, die speziell für die Abfrage durch mobile Klienten, wie z.B. Mobiltelefone oder PDAs, vorgesehen sind (Abb. 6: Gleichzeitge Darstellung ein- und derselben Newsmeldung im WWW und auf dem Display eines mobilen Endgerätes. Virtuelles Schwarzes Brett, Kunstgeschichtliches Seminar der Humboldt-Universität Berlin). So können sich Studierende im wahrsten Sinne des Wortes "unterwegs" über verlegte oder ausfallende Veranstaltungen und Sprechstunden mittels des in mittlerweile nahezu sämtlichen handelsüblichen
Mobiltelefonen anzutreffenden WAP-Browsers informieren lassen.
(47) Die WAP-Funktionalität des
system_kgs bezieht sich an dieser Stelle explizit auf die vom BMBF vorgelegte Forderung nach einer Universalität ("von jedem Ort der Welt aus") und Mobiltät (sprichwörtlich "in der Bewegung") von Datenzugriffs-Szenarien.
Zusammenfassend lässt sich vor dem Hintergrund der vorgestellten neuen IT-Ansätze in der Kunstgeschichte konstatieren, dass sich das
system_kgs ausdrücklich nicht als inhaltsbasiertes System, wie z.B.
artcampus oder
Schule des Sehens, versteht, sondern als Projekt der Informations
logistik. Es strebt eine Umsetzung KM-eigner Vorgaben über die Etablierung nicht-hierarchischer Netzwerkstrukturen an, wobei der Ausgangspunkt in einer automatisierten und stark vereinfachten Möglichkeit zur Publikation von kunstgeschichtlichen WWW-Dokumenten besteht. Eine qualitative Inhaltskontrolle findet nicht statt, der "content" wird allein durch die Angehörigen eines Instituts produziert; Struktur und Layout werden automatisch koordiniert, zusammengesetzt und bieten die Möglichkeit zum raum-zeitlich erweiterten
information sharing über XML und den Zugriff über mobile Endgeräte.
Fazit
Die in unseren Ausgangsüberlegungen angesprochene Frage, ob das durch das BMBF evozierte Paradigma der Effizienz und Ökonomisierung von Wissensaneignung durch Neue Medien lückenlos auf die kunstgeschichtliche Lehre übertragen werden kann, darf guten Gewissens verneint werden. Jedes der vier hier vorgestellten Projekte nähert sich spezifisch kunstgeschichtlichen Problemstellungen durchaus auf eine jeweils eigenständige Art und Weise.
Prometheus sucht einen Ausweg aus dem Dilemma der Existenz heterogener Bildbestandsquellen,
artcampus und
Schule des Sehens erproben eine Bewährung kunstgeschichtlicher Inhalte auf E-Learning- und CBT-Plattformen und
system_kgs möchte das WWW in ein universelles Publikations-, Kollaborations- und Verteilungsmedium für Institutsangehörige (Dozierende und Studierende) transformieren.
Sämtliche Projekte lernen aus den Fehlentwicklungen proprietärer Systeme und setzen Technologien ein, die sich kunstgeschichtlichen Anwendungen gegenüber unspezifisch verhalten und entweder als fertige (kommerzielle oder OpenSource-) Softwarelösungen vorliegen oder auf der Grundlage allgemeiner Dokumentenaustausch-Verfahren auf Basis von XML neu entwickelt werden. Inhaltlich lassen sich in sämtlichen Projekten Beziehungen zum Konzept des Wissensmanagements nachweisen, gleichwohl handelt es sich bei keinem der Projekte um reinrassige KM-Lösungen, wie sie etwa im industriellen Kontext anzutreffen sind.
Um die Frage nach einer möglichen Profilierung im Sinne typisch kunstgeschichtlicher IT-Projekte beantworten zu können, muss darauf hingewiesen werden, dass sämtliche Projekte am Anfang ihres Einsatzes stehen bzw. erst kurz davor sind, in eine erste Projektphase einzutreten. Eine entsprechende Beurteilung ist somit erst nach dem Gewinn einschneidender Erfahrungen aus der Praxis möglich und sinnvoll. Gleichwohl scheint es der Kunstgeschichte bereits zu diesem Zeitpunkt gelungen zu sein, in ein notwendiges Stadium der Entwicklung breit angelegter Wissensvermittlungsstrategien einzutreten, welches die Bereitschaft zur Konzeption
eigenständiger Softwarelösungen notwendig voraussetzt.
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44 Zum Begriff des kunstgeschichtlichen Content Managements vgl.: Ingeborg Reichle, Thomas Lackner, "Von der statischen Präsentation zur dynamischen Interaktion: Über die Integration www-basierter Informationssysteme in den Lehr- und Forschungsalltag kunstgeschichtlicher Institute",
EVA 2001 Berlin (Elektronische Bildverarbeitung & Kunst, Kultur, Historie), 8. Berliner Veranstaltung der internationalen EVA-Serie, 14.-16. November 2001, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, S. 41-47. Als Ergänzung: Ingeborg Reichle, Thomas Lackner, Dorothee Wiethoff: "Humboldt zwischen Bits und Bytes - Neue Medien in der Bildung. Chancen und Herausforderungen kooperativen Lehrens und Lernens". In:
Kritische Berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, Heft 3/2000, S. 87-90.
45 Einen Einblick in weitere Funktionen liefert eine PDF-Broschüre unter
www.kunstgeschichte.de/kgs.
46 Detaillierte Beschreibungen der NITF-DTD unter
www.nitf.org.
47 WAP =
Wireless
Application
Protocol. Technischer Standard, der es Mobiltelefonen erlaubt, auf speziell aufbereitete WWW-Seiten zuzugreifen und deren Inhalte auf sehr kleinen Displays darstellen zu können.
48 Vgl. hierzu: Friedrich Kittler: "Universitäten im Informationszeitalter". In: Gianni Vattimo, Wolfgang Welsch (Hg.):
Medien - Welten - Wirklichkeiten, München 1998, S. 139-146.