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Seit Mitte der neunziger Jahre bietet das World Wide Web (WWW) kunstgeschichtlichen Instituten eine technologische Plattform zur Veröffentlichung studien- und forschungsbezogener Informationen. Nahezu jedes Institut ist mittlerweile mit einer eigenen "Homepage" im WWW präsent und publiziert im halbjährlichen Turnus eine aktualisierte Fassung des kommentierten Veranstaltungsangebots. Im Regelfall geschieht dies unter den Bedingungen einer medialen und personellen Trennung von Inhaltsressourcen (Dozierende, Sekretariat), Web-Autoren (HTML-Programmierer, wiss. Hilfskräfte) und Öffentlichkeit (Studierende, Wissenschaftler). Inwiefern die Einführung einer www-basierten Open-Source-Infrastruktur ein Konzept vermittelt, das eine Aufhebung dieser Dreiteilung anstrebt, untersucht ein Projekt am Kunstgeschichtlichen Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin.


Kunstgeschichte und Medienintegration

Im Zuge der allgemeinen Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) zeichnet sich seit einigen Jahren auch in der Disziplin Kunstgeschichte ein Wandel im Einsatz mediengestützter Arbeits- und Lehrformen ab. Der Umgang mit der Digitalisierung und Vernetzung von Text- und Bildbeständen prägt in zunehmendem Maße das Bild der kunstgeschichtlichen Lehr- und Forschungstätigkeit. Für den gegenwärtigen Stand von Forschung und Lehre im Fach Kunstgeschichte bedeutet dies, dass die Gegenstände der Kunstgeschichtsschreibung sich immer seltener als reale Objekte darstellen, sondern vielmehr in Formen der medialen Repräsentation. Die mit der Einführung von IuK-Technologien vollzogene Integration veränderter Kommunikations- und Präsentationskonzepte in den klassischen Formen der Lehre, wie z.B. Seminar und Vorlesung, stellt sich für eine in erster Linie bildgestützt lehrende Disziplin als nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Analog hierzu hat sich das Fach Kunstgeschichte in den letzten Jahrzehnten auf wissenschaftstheoretischer Ebene neuen Impulsen geöffnet, die vor dem Hintergrund einer sich formierenden "Bildwissenschaft" das Überschreiten disziplinärer Grenzen voraussetzen: Neue Genres wie beispielsweise Film, Fotografie und computergestützte Kunst sowie Kunst der Virtuellen Realität - werden heute vermehrt in das Themenspektrum des Faches aufgenommen. Jedoch kann eine adäquate Vermittlung dieser Genres unter den Bedingungen konventioneller Medien der Kunstgeschichte, insbesondere der Doppelprojektion von Diapositiven, kaum gewährleistet werden. Verlangt werden vielmehr neue Formen und Aspekte der Visualisierung und Strukturierung von Wissen. Schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist abzusehen, dass das Internet dabei eine zentrale Rolle spielen wird.


Bildungspolitische Voraussetzungen

Anhand einer vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) in 2000 publizierten Perspektive zur Diskussion um zukünftige Lehr- und Lernformen - oftmals umschrieben mit Begriffen wie "Virtueller Campus", "Distanzlernen" oder "I(nformations)T(echnologie) in der Bildung" - lässt sich der konkrete Hintergrund der oben beschriebenen Annahmen bildungspolitisch präzisieren. Im Rahmen einer konstatierten, bevorstehenden Veränderung von Bildungsinhalten und Methoden des Wissenserwerbs stehen für das BMBF vor allem drei Herausforderungen im Vordergrund, der sich Hochschulen zu stellen haben. Neben dem

- hochschulinternen Ausbau von IT-Infrastrukturen handelt es sich um
- die Entwicklung neuer Lehr- und Lernkonzepte sowie
- die Entwicklung von Inhaltssoftware für die Hochschullehre.

Eine faktische Allgegenwart netzbasierter Funktionen, so prognostiziert das BMBF, fördert die Herausbildung "neuer Lernformen an Hochschulen" sowie den Einzug von Informationstechnologien in den universitären Alltag. Idealerweise sollen Studierende "[...] die Möglichkeit haben, sich von jedem Punkt der Hochschule in das Netz einzuwählen, um so auf ihre Lehr- und Lernsoftware zuzugreifen". Im Prototypenstadium befindliche Versuche zur Installation von Hochgeschwindigkeitsverbindungen (Next Generation Internet) sollen es ermöglichen, dass Lehrende und Studierende mit Dutzenden von Ausgabegeräten arbeiten können, zu jeder Zeit, von jedem Ort aus. Für das Fach Kunstgeschichte liegen derzeit noch keine Konzepte bereit, die einen methodisch-didaktischen Schwerpunkt auf die Bereitstellung von Online-Kursmaterialien legen. Dies wird sich sicherlich mit der Zeit ändern, stellt aber keineswegs den Status quo dar. Die traditionelle Form der Präsenzlehre ist - und bleibt zunächst - die vorherrschende Methode der Wissensvermittlung in der Kunstgeschichte. Zudem erfordert die Konzeption und Auslieferung fachspezifischer Online-Materialien mit entsprechenden Ansätzen zur Zertifizierung ein gehöriges Maß an bildungspolitischer, personeller und technologischer "Aufrüstung" seitens der an solchen Programmen beteiligten Institute (Aufbereitung der Kursmaterialien, Wartung der technischen Infrastruktur, etc.).

Anders verhält es sich gegenwärtig im Falle der Realisierung von Informationskonzepten, die im Sinne einer Unterstützung der Präsenzlehre durch www-basierte Dienste für Dozierende und Studierende gleichermaßen zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zu den in sich abgeschlossenen Online-Kurseinheiten, die das BMBF und prototypische Versuchsanordnungen an pädagogischen Instituten ins Visier nehmen, knüpfen derartige "offene" Systeme an bereits bestehende IT-Infrastrukturen an, die im einfachsten Falle eine bestehende "Instituts-Homepage" zunächst um Komponenten des Managements digitaler Inhalte erweitern.
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